Laser statt chemischer Pflanzenschutz

SMARTE Agrartechnik

Beitrag von Dr. Tammo Ripken LZH, Leitung Abteilung Industrielle und Biomedizinische Optik, und Dr. Jens Wester LZH, Gruppe Food and Farming

Seit Jahren wird der Ruf nach wirksamen chemiefreien Lösungen im Pflanzenschutz immer lauter, sowohl durch gesetzliche Vorgaben als auch durch die Gesellschaft. In der konventionellen Landwirtschaft stehen Landwirte vor immer größeren Herausforderungen durch den Verlust von verfügbaren Wirkstoffen und das Auftreten von Resistenzen. Im ökologischen Landbau sind die Kosten und die Verfügbarkeit von Arbeitskräften für die manuelle Unkrautbekämpfung ein entscheidender Faktor. Der smarte Einsatz von Lasern könnte ein alternatives Werkzeug in der Agrartechnik sein.

Selektive und chemiefreie Unkrautregulierung mittels KI-geführter Laserstrahlung

Seit einigen Jahren wird am Laser Zentrum Hannover e.V. (LZH) intensiv an der Anwendung von Lasertechnologie zur Unkrautbekämpfung geforscht. Dabei werden gezielt Bereiche empfindlicher Pflanzenteile wie zum Beispiel das apikale Meristem oder der Stengelansatz des Beikrautes mit einem Laserstrahl zerstört. Vorzugsweise werden kleine Pflanzen behandelt, die gerade erst aufgelaufen sind und sich höchstens im 4-Blattstadium befinden, um die Wirkungseffizienz des Lasers zu garantieren. Bei weiter entwickelten oder mehrjährigen Pflanzen bewirkt die Laserbehandlung eher eine Verzögerung des Wachstums: Die Pflanzen treiben zwar erneut aus, aber ihr Wachstum ist im Vergleich zur Kulturpflanze erheblich verlangsamt. Dank der berührungslosen Arbeitsweise und des geringen Strahldurchmessers im Bereich weniger Millimeter können mit dieser Technologie Unkrautpflanzen auch in der unmittelbaren Nähe der Nutzpflanzen behandelt werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Laser eine klare Sicht auf die Zielgewächse hat. Zur Steuerung der Laserbehandlung kommt künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Durch Bilderkennung werden Nutzpflanzen und Unkraut unterschieden, und die Ziele für den Laser werden festgelegt (Abb. 1). Aufgrund des thermischen Wirkmechanismus ist im Gegensatz zu chemischen Pflanzenschutzmitteln eine Resistenzbildung nicht möglich.

Lasertechnologie aufs Feld bringen

Um laserbasierte Verfahren für die Agrartechnik zu entwickeln, müssen seit langem im Labor etablierte Geräte, Methoden und Sicherheitsaspekte in den Outdoor-Bereich übertragen werden. Für die Regulierung von Unkraut ist eine Laserstrahlquelle erforderlich, die sowohl mechanisch als auch thermisch robust ist und über eine geeignete Wellenlänge sowie eine hohe Ausgangsleistung bei maximaler Effizienz verfügt. Die eingesetzte Laserstrahlung muss von den Zielpflanzen gut absorbiert werden und gleichzeitig eine stabile und handhabbare Strahlführung ermöglichen. Für den Einsatz auf dem Feld muss die Laserstrahlquelle auch mit effizienten Erkennungs- und Zielfindungssystemen sowie geeigneten Strahlauslenksystemen kombiniert werden. Aufgrund der komplexen, sich ständig ändernden Umgebungssituation, z. B. aufgrund verschiedener Untergründe, wechselnder Lichtverhältnisse aber auch unterschiedlichem Befallsdruck (Menge und Arten) von Unkräutern basieren die Erkennungs- und Zielfindungssysteme vorzugsweise auf Bilddaten, die mithilfe von vorab trainierten künstlichen neuronalen Netzen arbeiten. Die Systeme müssen stabil, schnell und präzise arbeiten, um reproduzierbar alle zuvor identifizierten Problemunkräuter anzuvisieren und die erforderliche Energie zur Zerstörung des Pflanzengewebes in diesen Pflanzen einzubringen. Abschließend muss der Gesamtaufbau alle Anforderungen an die Lasersicherheit als Teil der Maschinensicherheit erfüllen, um einen (ggf. sogar autonomen) Einsatz im Freien zu ermöglichen und jegliche Gefährdung von Mensch und Umwelt unter allen Umständen zu vermeiden.

Fahrplattform: Autonomer Roboter oder Traktor denkbar

Die Nutzung der Lasertechnologie ist sowohl auf Feldrobotern (Abb. 2) als auch als Anbaugerät am Schlepper möglich. Momentan werden beide Optionen angestrebt. Die derzeit verwendeten Industrie- und Laborlaser, die für die Unkrautbekämpfung angepasst werden, sind normalerweise für den Betrieb mit Netzspannung in Innenräumen konzipiert. Neben diesen notwendigen elektrischen Anpassungen liegt der aktuelle Entwicklungsstand auch auf der Robustheit der optischen Systeme unter Feldbedingungen sowie der Implementierung von Sicherheitsmaßnahmen für den Lasereinsatz und den Arbeitsschutz. Feldroboter bieten den Vorteil, dass sie ihre Fahrgeschwindigkeit flexibel anpassen können, beispielsweise je nach lokalem Unkrautdruck. Als Anbaugerät am Traktor integriert sich das Laserwerkzeug direkt in die Infrastruktur landwirtschaftlicher Betriebe. Der Schlepper selbst dient als Stromquelle und versorgt das System mit Energie.

Forschungstransfer im LZH

Das Verfahren aus Laser, Bilderkennung und KI wurde bereits auf andere Bereiche der Landwirtschaft übertragen und in Forschungsprojekten näher untersucht. So werden mittels Kameratechnik Schädlinge von Nützlingen unterschieden und mittels Laserstrahl Erstere letal geschädigt. Die Anlockung erfolgt bei diesem Verfahren über eine digitale Farbtafel, da verschiedene Schädlinge auf unterschiedliche Farben reagieren und dies ausgenutzt werden kann. Erste Versuche hierzu wurden im Labor abgeschlossen und finden aktuell im Gewächshaus statt.

Auch bei der Desinfektion von Lebensmitteln gegen mikrobielle Belastungen (Keime, v. a. Bakterien, Viren, Pilze) kann Lasertechnik erfolgreich eingesetzt werden. In einem laufenden Projekt wurde untersucht, inwieweit die Keimzahl auf frischem Geflügelbrustfilet in der Verarbeitungslinie reduziert werden kann. Erste Ergebnisse zeigen eine deutliche Reduzierung der Belastung ohne Beeinträchtigung des Fleisches. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen startet bald ein weiteres Forschungsprojekt, das sich mit der Desinfektion von Frischluft in Putenställen beschäftigt. Das Ziel ist die Verhinderung der Ausbreitung von Viren in Geflügelställen. Hierzu soll ein UV-„Laservorhang“ in den Luftschächten installiert werden, der die Viren im Luftstrom abtötet.

Zusammengefasst

stellt die Lasertechnologie zur Unkrautregulierung im landwirtschaftlichen Außenbereich eine vielseitige, flexible und präzise Ergänzung bzw. Alternative zu anderen Pflanzenschutzmaßnahmen dar. Die aktuell begrenzten Behandlungsgeschwindigkeiten und Flächenleistungen sind wesentliche Faktoren, die im Rahmen diverser Forschungsprojekte am LZH weiter untersucht werden sollen. Hierbei werden abgesehen von einer Optimierung der reinen Laserbehandlung auch Kombinationsverfahren entwickelt und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit evaluiert.

Literatur

www.lzh.de/innovationsfelder/

smarte-agrartechnik

welaser-project.eu

 

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 05/2023 SEP/OKT

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