Von Deutschland in die Welt

Internationale Patentanmeldungen

Beitrag von Benedikt Berghofer, M.Sc., deutscher und europäischer Patentanwalt und Raphael Widmann, M.Eng., Patentingenieur, Kroher Strobel Rechts- und Patentanwälte PartmbB

Deutschland ist Exportnation. Kunden und Wettbewerber vieler kleiner und mittelständischer Unterneh-men sind international verteilt und Märkte außerhalb Deutschlands sind von essenzieller Bedeutung für den Unternehmenserfolg. Will sich ein Unternehmen diese Märkte sichern, kann eine geeignete Patentstrategie, die über deutsche Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen hinausgeht, entscheidend dazu beitragen. Welches Spannungsverhältnis sich dabei ergibt und welche patentrechtlichen Instrumente dabei helfen, wird nachfolgend beleuchtet.

Vorsprung sichern: Das Prioritätsrecht

Eine frühe erste Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung (Erstanmeldung) ist aufgrund des patentrechtlichen Neuheitserfordernisses unerlässlich. Zum einen muss ein Patent angemeldet sein, bevor die Erfindung selbst vorgestellt und veröffentlicht wird. Zum anderen werden bei der Prüfung der Patentanmel-dung nur Veröffentlichungen bis zum Anmeldetag dieser prioritätsbegründenden Erstanmeldung (Prioritätstag) berücksichtig. Mit der Erstanmeldung kann ein früher Prioritätstag gesichert werden.

Das Prioritätsrecht gewährt dem Anmelder der Erstanmeldung oder dessen Rechtsnachfolger dann das Recht, innerhalb von 12 Monaten ab dem Prioritätstag in derzeit 179 Vertragsstaaten der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) weitere Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldungen (sog. Nachanmeldungen) für dieselbe Erfindung einzureichen mit der Wirkung, als seien sie bereits am Prioritätstag eingereicht worden. Obwohl die Nachanmeldungen bis zu einem Jahr später eingereicht werden, kommt ihnen also der Zeitrang der Erstanmeldung zu. Dies hat zur Folge, dass in den voneinander unabhängigen Patentprüfungsverfahren der Nachanmeldungen für die Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit der Erfindung nur der Stand der Technik (z. B. bereits veröffentlichte Patentschriften, Präsentationen, Vorträge oder wissenschaftliche Artikel, Verkäufe) berücksichtigt wird, der vor dem Prioritätstag öffentlich zugänglich war. Stand der Technik oder auch eigene Vorstellungen der Erfindung bzw. des Produkts, die zwischen dem Prioritätstag und dem Anmeldetag der Nachanmeldungen veröffentlicht werden, bleiben hingegen unberücksichtigt. Aber warum warten und nicht von Anfang an Patentanmeldungen in mehreren Ländern einreichen?

Investitionen absichern: Der Vorteil von Nachanmeldungen

In jedem Land fallen für die Anmeldung eines Patents und das jeweils folgende Prüfungsverfahren Amtsgebühren und Anwaltshonorare an, während der Ausgang des Prüfungsverfahrens zunächst ungewiss ist. Häufig ist auch die Entwicklung der Erfindung noch nicht vollständig abgeschlossen und der künftige Erfolg des Produkts kaum oder nur schwer absehbar.

Im Falle einer prioritätsbegründenden Erstanmeldung können die Kosten zunächst auf eine Anmeldung begrenzt werden. Für diese Erstanmeldung wird vom zuständigen Patentamt in der Regel innerhalb von ca. 6 bis 8 Monaten ein Recherchenbericht oder ein erster Prüfungsbescheid erstellt. Dieser listet die für die Erfindung relevanten Dokumente des Stands der Technik auf, ggf. mit einer Stellungnahme des Prüfers, und erlaubt somit eine erste Beurteilung hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit. Anhand dessen können die Erfolgsaussichten für die Erlangung eines Patents bereits abgeschätzt werden, bevor Investitionen in Nachanmeldungen getätigt werden. In den Nachanmeldungen können zudem Versuchsergebnisse oder Weiterentwicklungen der Erfindung berücksichtigt werden.

Auch wenn man dadurch bereits ein Jahr gewonnen hat, ist es in vielen Fällen dennoch schwierig, bereits mit Ablauf des Prioritätsjahres 12 Monate nach dem Anmeldetag der Erstanmeldung den angestrebten territorialen Schutzbereich für die Erfindung festzulegen. Es gibt jedoch eine Möglichkeit, erste Recherche- und Prüfungsschritte in einem gebündelten Verfahren durchzuführen und die Entscheidung über die territoriale Ausweitung des Schutzes weiter hinauszuzögern.

Die internationale Patentanmeldung

Die internationale Patentanmeldung nach dem Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (sog. PCT-Anmeldung) ermöglicht ein gebündeltes Anmeldeverfahren, das zu einem späteren Zeitpunkt in eine Vielzahl von regionalen und nationalen Anmeldeverfahren in beliebigen aus derzeit 157 Vertragsstaaten des PCT überführt werden kann. Die PCT-Anmeldung kann als Erstanmeldung oder als Nachanmeldung eingereicht werden.

Das Anmelde- und Prüfungsverfahren einer PCT-Anmeldung gliedert sich in zwei Phasen, eine gebündelte internationale Phase und daran anschließende regionale Phasen (z. B. als europäische Patentanmeldung) oder nationale Phasen (z. B. als chinesische, japanische, US-Patentanmeldung etc). In der internationalen Phase erhält der Anmelder von einer internationalen Recherchenbehörde (ISA), wie z. B. dem Europäischen Patentamt, einen internationalen Recherchenbericht (ISR) und eine vorläufige Beurteilung der Patentierbarkeit (WO-ISA). Etwa 18 Monate nach dem Prioritäts- bzw. Anmeldetag erfolgt die internationale Veröffentlichung der Anmeldeunterlagen zusammen mit dem ISR.

Optional kann im Anschluss eine internationale vorläufige Prüfung mit zugehörigem Prüfungsbescheid (IPER) beantragt werden, der dem Anmelder bis ca. 28 Monate nach dem Prioritäts- bzw. Anmeldetag zugestellt und an die ausgewählten Patentämter der regionalen/ nationalen Phasen weitergeleitet wird. Die internationale vorläufige Prüfung bietet dem Anmelder den Vorteil, frühzeitig Argumente zur WO-ISA vorbringen und ggf. Anspruchsänderungen einreichen zu können, um eine bessere Ausgangslage für die nachfolgenden Prüfungsverfahren in den regionalen/nationalen Phasen zu erlangen. Dauer und Kosten in den nachfolgenden Phasen können dadurch gegebenenfalls reduziert werden.

Die Überleitung in die regionalen/nationalen Phasen erfolgt erst 30 bis 31 Monate nach dem Prioritäts- bzw. Anmeldetag. Bis zu diesem Zeitpunkt kann die endgültige Entscheidung über die Länder, in denen Schutz begehrt wird und entsprechende Erteilungsverfahren durchgeführt werden sollen, aufgeschoben werden. Mit Einleitung der regionalen/nationalen Phasen zerfällt die PCT-Anmeldung in mehrere vom Anmelder ausgewählte regionale/ nationale Patentanmeldungen, denen der Anmeldetag der prioritätsbegründenden Erstanmeldung bzw. der PCT-Anmeldung zukommt. Die nationalen/regionalen Patentanmeldungen werden dann von den zuständigen Patentämtern in einzelnen, unabhängigen Anmeldeverfahren geprüft.

Mit der PCT-Anmeldung steht ein zentralisiertes Verfahren zur Verfügung, das zunächst eine einzige Anmeldung in einer Sprache betrifft, die von einem Patentanwalt betreut werden kann, und das bereits eine Beurteilung der Patentfähigkeit erlaubt. Während dieser Zeit können Entwicklungsarbeiten vorangetrieben, Investoren gesucht und ggf. der Markteintritt vorbereitet werden. Es lässt sich ein früher Prioritätstag sichern, während die Entscheidung über den territorialen Schutzbereich und die damit verbundenen Investitionen auf Basis umfassenderer Informationen zum finalen Produkt und dem angestrebten Markt und somit letztendlich mit größerer Sicherheit getroffen werden kann.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 06/2023 NOV/DEZ

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